Artikel von Dipl.-Ing. Wendelin Juen, Leiter der Abteilung Obst- und Gartenbau der Landeslandwirtschaftskammer für Tirol
Die Zielsetzung und Orientierung der Baumwärterausbildung hat sich nach den Bedürfnissen der Praxis auszurichten. Als Leiter der Abteilung Obst- und Gartenbau der Landeslandwirtschaftskammer für Tirol und damit Verantwortlicher für diese Ausbildung suche ich die inhaltlichen Schwerpunkte in enger Absprache mit den Kursteilnehmern, dem Tiroler Baumwärterverband und dem Verband der Tiroler Obst- u. Gartenbauvereine Grünes Tirol. Im nachfolgenden Beitrag möchte ich einige Gedanken zu dieser Ausbildung festhalten.
Der bäuerliche Obstbau hat eine uralte Tradition. Die Bauernhöfe schmückten sich seit jeher mit Prachtexemplaren von haushohen Birnbäumen und wunderschönen Apfelbäumen. Die Funktion dieser Bäume waren und sind vielfältig. Diese Bäume liefern frisches Obst für den herzhaften Genuss. Auch in verarbeiteter, besser gesagt in veredelter Form wie Apfelsaft, Schnaps oder Dörrobst erfreut uns der Ertrag dieser Bäume in unterschiedlicher Form. Die Bäume haben für unseren Lebensraum positive Funktionen. Als Schattenspender, Verbesserer des Kleinklimas und wirksame Windbremse leisten sie wertvolle Dienste. Und nicht zuletzt als Botschafter der Jahreszeiten von der duftenden Blüte bis zum bunten Herbstlaub sprechen diese Bäume unsere Seele an. Sie prägen die Landschaft und uns Menschen, die wir in dieser leben. Die Pflege der Obstbäume haben in früheren Zeiten die Bauern zum Teil in ihrer Ausbildung gelernt und an ihre Nachkommen weitergegeben. Allzu oft wurden Bäume einfach gepflanzt und ohne Pflege sich selbst überlassen. Wanderlehrer, Klöster und Schulen trieben damals die Aus- und Weiterbildung im Obstbau mit unterschiedlichem Erfolg voran.
In den letzten Jahren hat sich unser Umfeld rasant verändert. Die bäuerlichen Großfamilien und mit ihnen der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung sind stark zurückgegangen. Durch die rege Bautätigkeit wurden die Obstanger um die Dörfer und die Bauernhäuser vielfach durch Einfamilienhäuser verdrängt. In dem Maße, wie die Anzahl der neu gegründeten Haushalte anstieg, ging die Anzahl der landschaftsprägenden Hochstämme zurück. So entstand und stieg im Laufe der Zeit die Bedeutung des Siedlerobstbaues. Neben der obstbaulichen Ausbildung für die Landwirte wurde im Zuge dieser Strukturenentwicklung eine fachliche Betreuung der obstbauinteressierten Klein- und Hausgartenbesitzer notwendig. Die Baumwarte begannen mehr und mehr diese Aufgabe zu übernehmen.
Den Erfordernissen der steigenden Anzahl von Klein- und Hausgärten versuchen wir in der Ausbildung der Baumwarte neben den Interessen der bäuerlichen Betriebe Rechnung zu tragen. Nur durch die Wertschätzung des Obstbaumes im Hausgarten sowie im bäuerlichen Bereich können wir die landschaftsprägenden Obstbäume erhalten und dort, wo sie bereits verschwunden sind, wieder zu ihrer Daseinsberechtigung verhelfen. Wenn quer durch unser Land qualifizierte, hochmotivierte Obstbauliebhaber die fachgerechte Pflege der Obstbäume durchführen und ihr Wissen zum Obstbau weitergeben, sichern wir diesen Land und Leute prägenden Obstbau in Tirol.
Die Erhaltung und Förderung des Obstbaues in und um unsere Ortschaften ist ein wesentliches Ziel der Baumwärterausbildung. In den zahlreichen Kursen sollen jenes Wissen und jene Fertigkeiten vermittelt werden, die Keimzellen eines geglückten Obstbaues sind. Der Erfolg und damit die Freude am Obstbau stellt sich nur bei fachgerechter Pflege der Bäume ein. Die Grundlagen dafür werden den Baumwarten während ihrer Ausbildung vermittelt. Die Baumwarte geben dann als Multiplikatoren vor Ort diese Informationen in Theorie und Praxis an Interessierte weiter. Dadurch ist es in den letzten Jahren gelungen, ein flächendeckendes Netz an gut ausgebildeten Baumwarten aufzubauen. Ganz im Sinne unserer Vorgänger, welche diese Ausbildung ins Leben gerufen haben, wird auch heute diese Ausbildung den Bedürfnissen der Zeit entsprechend angepasst. Die Ausbildung soll im Sinne einer ökologisch und ökonomisch sinnvollen Freizeitgestaltung stehen. Die bewährte Tradition der Baumwarte gereicht dadurch unserem Land und den Menschen, die hier leben, in seiner multifunktionalen Art und Weise zum Wohl.
Feuerbrand trat 1998 erstmalig und gleich unerwartet stark in Tirol auf und hat im Zusammenhang mit den notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen die Wichtigkeit der Baumwärter in besonderer Weise gezeigt. Nur durch den Rückgriff auf die Vielzahl gut ausgebildeter Baumwarte war ein rasches Vorgehen gegen diese Seuche möglich. Mit einigen Spezialschulungen für Feuerbrand konnten die Fachleute rasch auf die neue Feuerbrandproblematik eingeschult werden. Die Baumwarte gaben in weiterer Folge ihr Wissen landesweit auf Ortsebene weiter und waren bei den Bekämpfungsmaßnahmen an vorderster Stelle mit dabei. An solch einem Extrembeispiel zeigt sich die enorme Bedeutung und der hohe Wert einer fundierten Grundausbildung auf besonders eindrucksvolle Weise.